Sie ist Ich und Ich bin Sie
Yto Barradas Hommage an die Ethnologin Th�r�se Rivi�re

„Die Camille Claudel der franz�sischen Ethnologie“ – so wird Th�r�se Rivi�re gerne charakterisiert. Nicht zu Unrecht, denn tats�chlich gibt es Parallelen zwischen den Lebensgeschichten dieser Frauen. Beide, die Bildhauerin und die Wissenschaftlerin, leisteten Bedeutendes, beide hatten psychische Probleme, wurden f�r Jahrzehnte in der Psychiatrie weggesperrt und gerieten fast v�llig in Vergessenheit. Yto Barrada besch�ftigt sich bereits seit l�ngerem mit Leben und Werk von Th�r�se Rivi�re, die 1934 eine 2-j�hrige Expedition in die zerkl�ftete Berglandschaft des Aur�s im Nordosten Algeriens unternahm. Dort studierte sie das Leben der Berber, wobei sich die Ethnologin vor allem f�r die dortige Handwerkskunst und die Situation der Frauen und Kinder interessierte. F�r die Sammlung des Mus�e de l'Homme in Paris brachte sie 857 Objekte mit, die sie akribisch dokumentierte.

Zusammen mit Rivi�res Zeichnungen und Notizb�chern haben diese Objekte Barrada zu Arbeiten wie der Installation Objets indociles (Suppl�ment � la vie de Th�r�se Rivi�re) inspiriert, die 2016 im Centre Pompidou zu sehen war. Diese leicht surreal anmutende Rekonstruktion von Rivi�res Schlafzimmer gleicht einem historischen Exponat aus einem V�lkerkundemuseum. Und auch ihre j�ngste Ausstellung Moi je suis la langue et vous �tes les dents im Project Space des Lissaboner Calouste Gulbenkian Museums kreist um Rivi�re. Barradas Zeichnungen, Filme und Installationen basieren auf der riesigen Materialsammlung der Ethnologin, die sowohl wissenschaftliche als auch autobiografische Dokumente umfasst. Die K�nstlerin f�hlt sich mit Rivi�re stark verbunden – „elle - moi, moi - elle“, schreibt Barrada in einem Text – und l�sst auch Bez�ge zu der Geschichte ihrer eigenen Familie in die Ausstellung einflie�en, wie etwa Fotografien und Notizb�cher ihrer Gro�mutter. Sie konnte nicht schreiben und entwickelte deswegen eine Schrift aus grafischen Symbolen.

In dieser sehr pers�nlichen Hommage an Rivi�re mischen sich zahlreiche Themen, die Barrada seit dem Beginn ihrer k�nstlerischen Laufbahn interessieren: die Region des Maghreb, mit der sich die im marokkanischen Tanger aufgewachsene und mittlerweile in New York lebende K�nstlerin immer wieder besch�ftigt hat – etwa in Riffs, ihrer Ausstellung als „K�nstlerin des Jahres“ der Deutschen Bank 2011 im damaligen Deutsche Guggenheim. Dazu kommt Barradas Interesse an Handwerksobjekten und Archivmaterial, das die ehemalige Studentin der Geschichte und Anthropologie in zahlreiche ihrer Arbeiten integriert. Und nat�rlich geht es auch in Lissabon um ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch ihr gesamtes Werk zieht: die Solidarit�t mit dem Schwachen, dem Fragilen, dem vom Verschwinden Bedrohten.
A.D.     

Yto Barrada
Moi je suis la langue et vous �tes les dents

Calouste Gulbenkian Museum, Project Space, Lissabon
08.02. – 06.05.2019