Art Picks:
Bizarre Stoffe, alte Helden und neue Begegnungen

ArtMag stellt aktuelle Ausstellungen vor, an denen K�nstler aus der Sammlung Deutsche Bank beteiligt sind oder die in Partnerinstitutionen stattfinden. Im Februar und M�rz geht es um legend�re K�nstler, Stile und Ideen, die uns bis heute beeinflussen.

Als ihn einer seiner Lehrer an der New Yorker Kunsthochschule Cooper Union fragte, was das wichtigste Thema seiner k�nstlerischen Arbeit sei, antwortete Nick Mauss „Einfl�sse“. Das ist bis heute so geblieben: „Was das Lesen oder Betrachten angeht, bin ich wirklich gierig. Ich liebe so viele verschiedene Sachen.“ Auf Einladung der Kunsthalle Basel hat der New Yorker K�nstler die Ausstellung Bizarre Silks, Private Imaginings and Narrative Facts, etc. kuratiert, die genau von diesen Einfl�ssen handelt. Und wie immer bei Mauss, der wegen seiner poetischen und supersensiblen Zeichnungen und Ausstellungen schon selbst legend�r ist, geht es um einen alternativen, queeren Kanon der Moderne, die N�he zur Angewandten Kunst und radikale Subjektivit�t.

Ein bisschen ist das so wie in Ray Johnsons K�nstlerbuch Ray Gives a Party von 1955, das auch in Basel zu sehen ist: Es kommen illustre Besucher, aber auch intime Freundinnen und unerwartete G�ste. Bei Mauss k�nnen das ebenso die Dada-Ikone Hannah H�ch, William S. Burroughs und Brion Gysin, der N�hmaschinen-Maler Konrad Klapheck oder die legend�re feministische K�nstlerin Ketty La Rocca sein. Mauss ist wie ein Gastgeber pr�sent, hat riesige, geometrisch und gestisch bemalte Tore geschaffen, die im Raum stehen und den Blick elegant auf bestimmte Werke und Kombinationen lenken. Die gr��te Entdeckung sind aber ganz klar die poetisch-minimalistischen Stoffskulpturen und Assemblagen der Konzeptk�nstlerin und Feministin Rosemary Mayer (1943-2014), die in New York 1972 mit der A.I.R. Gallery die erste von einem Frauenkollektiv gef�hrte Galerie gr�ndete. Mauss hat ein untr�gliches Gesp�r f�r �bersehene Positionen. Man kann sicher sein, dass Mayer bald in aller Munde ist.

�hnlich erging es auch Charlotte Posenenske. Obwohl sie mit Hanne Darboven und Donald Judd ausstellte und die Diskurse der Concept- und Minimal Art entscheidend mitpr�gte, ist ihr Œuvre nie so bekannt geworden wie das ihrer Zeitgenossen. Das �ndert sich jetzt. Das MACBA Barcelona zeigt als erste europ�ische Station die vom amerikanischen Dia:Beacon organisierte Retrospektive Charlotte Posenenske: Work in Progress. Die von der Kritik gefeierte Schau dokumentiert, wie sich Posenenske in ihren modularen Stahl-, Papp- und Pressspanskulpturen einem industriellen Minimalismus ann�herte. Sie interessierte dabei nicht nur die anonyme, reduzierte �sthetik. Posenenske ging es darum, Prototypen aus massenproduzierten Materialien herzustellen, die unlimitiert nachgebaut werden konnten. Der K�ufer sollte ihre Skulpturen auch selbst arrangieren k�nnen. Damit hinterfragte sie radikal die Rolle des K�nstlers und die Hierarchien des Kunstbetriebs. Ihre mit Klebeband auf Karton gefertigten „Streifenbilder“, wie horizontal/vertikal (1965) aus der Sammlung Deutsche Bank, sah sie als Vorl�ufer ihrer ab 1965 gefertigten Metallskulpturen – der Beginn einer kurzen, aber bis heute einmaligen Kunstrevolte. Anschlie�end ist die Ausstellung von April an in der Kunstsammlung NRW in D�sseldorf zu sehen.

Au�erdem: Das M�nchner Haus der Kunst ehrt mit Franz Erhard Walther – Shifting Perspectives einen Pionier der partizipativen Kunst und Vorreiter der Pop Art, der mit seinen textilen Skulpturen und Installationen R�ume und Menschen aktivierte. Das Tel Aviv Museum of Art zeigt in der Ausstellung Raymond Pettibon: And What is Drawing for? Arbeiten des Bad-Boys der amerikanischen Gegenwartskunst, dessen Zeichnungen nicht nur durch die Punk-Szene der West Coast, Underground Comics oder Film Noir inspiriert sind. Sondern ebenso von William Blake, John Ruskin und den Gedichten von Walt Whitman oder Edgar Allan Poe. Au�erdem ist Pettibon ein erbitterter Kritiker nicht nur von Donald Trump, sondern s�mtlicher amerikanischer Regierungen, die er bitterb�se karikiert hat. Die National Gallery of Victoria widmet zwei der gr��ten Kunststars der 1980er-Jahre eine Doppel-Retrospektive der Superlative: Jean-Michel Basquiat und Keith Haring. Dokumentiert werden ihre Verbindungen zu Musik, Mode, Performance und Clubbing, die Art und Weise, wie sie Zeichen und Symbole der Massen- und Subkultur f�r soziopolitische Kommentare und die Vermittlung radikaler Ideen nutzten. Die Ausstellung reicht von Fr�hwerken aus New Yorker Stra�en und U-Bahnh�fen bis zu ihren Kollaborationen mit Andy Warhol, Grace Jones oder Madonna.

Mit Gerhard Richter: Painting After All richtet das Met Breuer in New York dem wohl ber�hmtesten Maler der Gegenwart eine opulente Werkschau aus. Mit �ber 100 Gem�lden zeichnet die Schau Richters gesamte Laufbahn nach und zeigt, wie er das Medium der Malerei mit Fotografie, digitaler Reproduktion und Fotografie verbindet. Der New Yorker K�nstler Tom Sachs verbindet in seinen Installationen, Skulpturen und Assemblagen Graffiti- und Post-Pop-�sthetik mit Konsumkritik und Kunstgeschichte. Er baute Anfang der 2000er-Jahre nicht nur Toiletten mit Prada-Logo oder Guillotinen und Giftgas-Sets im Chanel Look, sondern zitierte genauso ungeniert seine Idole Andy Warhol oder Piet Mondrian. In der Ausstellung Nutsy’s lie� er 2003 im Deutsche Guggenheim Modellautos auf einer Rennbahn zwischen Modellen von Le Corbusiers Unit� d'Habitation, DJ-Kabinen und einem selbstgebastelten, voll funktionst�chtigen McDonald's herumrasen. Jetzt gibt eine gro�e Retrospektive im Schauwerk Sindelfingen Gelegenheit, Sachs Werk neu zu bewerten, das r�ckblickend gar nicht so poppig, sondern erstaunlich minimalistisch und modernistisch wirkt.

Last but not least: Er geh�rt zu den wichtigsten mexikanischen K�nstlern, in Europa ist er kaum bekannt. Jetzt widmet ihm das Stedelijk Museum mit Carlos Amorales: The Factory die erste umfassende Retrospektive in Europa. Amorales, dessen Arbeiten auch in der Sammlung Deutsche Bank vertreten sind, begann als Konzeptk�nstler. Er erfand sich als „Amorales“ neu, eine Figur mit Wrestler-Maske, in die er auch andere K�nstler oder Bekannte schl�pfen lie�. Mit der Maske und neuer Identit�t veranstalteten sie Wrestling-Performances sowohl in echten Wettkampfarenen in Tijuana als auch in Museen wie der Tate Modern in London oder dem Centre Pompidou in Paris. Anfang der 2000er-Jahre gr�ndete er in Mexico City sein eigenes Studio – eine Art Factory, in der er mit einem Stab von Mitarbeitern Installationen, Skulpturen, Gem�lde, Zeichnungen, Videos, Drucke, Animationen und Sound-Arbeiten realisiert. Immer geht es dabei um die Rolle des K�nstlers, den Konflikt zwischen individuellen Bed�rfnissen und gesellschaftlichen Beschr�nkungen. Amorales‘ Arbeit, die im Stedelijk in 14 R�umen gezeigt wird, wirkt immersiv und durchaus dekorativ, ist aber tats�chlich politisch aufgeladen: eine echte Entdeckung.

Bizarre Silks, Private Imaginings and Narrative Facts, etc.
bis 26.04.2020    
Kunsthalle Basel

Charlotte Posenenske
Work in Progress

bis 08.03.2020
MACBA Barcelona
&
03.04 – 02.08.2020
Kunstsammlung NRW, D�sseldorf

Franz Erhard Walther
Shifting Perspectives
06.03. – 02.08.2020
Haus der Kunst, M�nchen

Raymond Pettibon
And What is Drawing For?
bis 25.04.2020
Tel Aviv Museum of Art

Keith Haring | Jean-Michel Basquiat
Crossing Lines
bis 13.04.2020
National Gallery of Victoria, Melbourne

Gerhard Richter
Painting After All
04.03. – 05.07.2020
The Met Breuer, New York

Tom Sachs
Timeline
bis 26.04.2020
Schauwerk Sindelfingen

Carlos Amorales
The Factory
bis 17.05.2020
Stedelijk Museum Amsterdam