Streetwear in Versailles
Preview der Londoner Frieze Messen

Mit mehr als 160 Galerien aus 36 L�ndern pr�sentiert sich die 17. Ausgabe der Frieze London so international wie nie zuvor. Und die Frieze Masters bietet erneut hochklassige historische Werke – von antiken Artefakten bis zur feministischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Die beiden von der Deutschen Bank als Global Lead Partner begleiteten Messen sind auch dieses Jahr wieder das Highlight des Londoner Kunstherbstes.
Endstation Weberei. Selbst am ach so progressiven Bauhaus wurden die Studentinnen zur Textilkunst gedr�ngt. "Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib", reimte "Bauhausmeister" Oskar Schlemmer. Dementsprechend wurde die Weberei 1920 endg�ltig zur "Frauenklasse" deklariert. Und noch immer gelten Weben, Sticken, N�hen als weiblich – oder auch folkloristisch – konnotierte T�tigkeiten, deren Ergebnisse meist als Kunstgewerbe betrachtet werden. In dieser Einsch�tzung mischt sich die Abwertung von „weiblichen“ und nicht-westlichen, traditionellen Kunstformen. Genau mit diesem Ph�nomen setzen sich die j�ngsten Arbeiten des aus Madagaskar stammenden K�nstlers Jo�l Andrianomearisoa auseinander, die jetzt auf der Frieze London zu sehen sind. Seine gewebten Bilder verbinden Bez�ge zur abstrakten Moderne mit der Kunsttradition seiner Heimat und sind Teil der neuen Sektion Woven, die sich auf Textilkunst fokussiert. Kuratiert wird Woven von Cosmin Costinas, dem Leiter von Para Site, Hongkongs f�hrendem unabh�ngigen Zentrum f�r zeitgen�ssische Kunst. Costinas hat sehr divergente Positionen ausgew�hlt: W�hrend Angela Sus aus menschlichem Haar gestickten Bilder auf die j�ngsten Proteste in ihrer Heimatstadt Hongkong reagieren, lie� sich Chitra Ganesh, die auch in der Sammlung Deutsche Bank vertreten ist, von Hieronymus Boschs 1500 vollendetem Triptychon Der Garten der L�ste zu einer fantastischen immersiven Installation inspirieren. Eine echte Entdeckung ist der 1993 mit nur 36 Jahren verstorbene Jos� Leonilson. Nach seiner AIDS-Diagnose wechselte der Brasilianer vom Pinsel zu Nadel und Faden. Kleine Leinw�nde, aber auch Alltagsgegenst�nde wie Taschen oder Kissen bestickte er mit reduzierten Motiven und poetische Texten. “I make things for those I love", hat er einmal erkl�rt und diese Liebe merkt man seinen sehr intimen Arbeiten an.
 
Mit kuratierten Sektionen wie Woven best�tigt die Frieze London auch dieses Jahr ihren Ruf als "weltweit hei�este Messe f�r zeitgen�ssische Kunst“, wie es die Times einmal auf den Punkt brachte. Deshalb engagiert sich die Deutsche Bank seit nunmehr 16 Jahren als Partner der Frieze London und seit 2012 auch f�r die parallel stattfindende Frieze Masters, die Kunst aus sechs Jahrtausenden aus einem dezidiert zeitgen�ssischen Blickwinkel pr�sentiert. Zu diesem Ansatz passt auch Viviane Sassens Projekt Venus & Mercury, das sie in den Deutsche Bank Lounges auf der Frieze London und der Frieze Masters vorstellt. So selbstverst�ndlich, wie sich die Niederl�nderin zwischen Kunst- und Modefotografie bewegt, verbindet sie in Venus & Mercury konzeptuelle Fotografie und Videokunst der Gegenwart mit der barocken Pracht von Versailles. Die Serie entstand gemeinsam mit einer raumf�llenden 2-Kanal-Videoinstallation als Auftragsarbeit f�r das Schloss, wo sie im Rahmen der Ausstellung Versailles – Visible/Invisible noch bis zum 20. Oktober gezeigt wird. In den Deutsche Bank Lounges in London werden Stills der Videoarbeit pr�sentiert.  

Sechs Monate lang hatte Sassen die Gelegenheit, die Hauptresidenz der franz�sischen K�nige zu erkunden – auch zu Zeiten, in denen das Schloss f�r Besucher geschlossen war. Mit ihrer Kamera durchstreifte sie die leeren Spiegels�le, die opulenten G�rten, aber auch die geheimen R�ume, die f�r die �ffentlichkeit unzug�nglich sind, wie die Privatgem�cher der M�tressen des K�nigs. Besonders aber faszinierten sie die Skulpturen, die dann auch auf vielen der Arbeiten aus Venus & Mercury zu sehen sind. Sassen wurde vor allem in der Gal�rie des sculptures et des moulages f�ndig, wo Abg�sse der ber�hmtesten Plastiken der Antike ausgestellt werden und besch�digte Skulpturen auf ihre Restaurierung warten. Auf einigen der Arbeiten der Serie tauchen auch Protagonisten aus der Gegenwart auf, etwa Leila, eine junge Franz�sin mit senegalesischen Wurzeln, die die K�nstlerin zuf�llig in Versailles kennenlernte. Sassen lud Leila und ihre Freundinnen dazu ein, sich von ihr fotografieren zu lassen. Und so posieren die jungen Frauen in ihren hippen Streetwear-Klamotten ganz l�ssig in den prachtvollen R�umen, die einst dem Hochadel vorbehalten waren, und zeigen, dass auch sie Teil der franz�sischen Kultur sind.

Sassens Projekt besitzt dar�ber hinaus eine autobiografische Komponente. "Ich war als junger, 14-j�hriger Teenager schon einmal dort", erinnert sich die K�nstlerin. "Der Palast machte einen gro�en Eindruck auf mich. Das hatte auch etwas mit den Statuen im Garten zu tun. Ich empfand Versailles als einen extrem romantischen Ort und stellte mir vor, was dort wohl so alles passiert ist." Bei ihren aktuellen Recherchen stie� sie dann auf seltsame kleine "Skulpturen", die etwas von den verborgenen Seiten des Palastlebens erz�hlen. Die kleinen Metallobjekte entpuppten sich als Nasenprothesen. Getragen wurden sie von Opfern der Syphilis, die damals am k�niglichen Hof grassierte. Diese Objekte und Fragmente von perfekten K�rperskulpturen verweisen auf Sexualit�t und Verfall und auf die in Versailles allgegenw�rtige Verbindung zwischen Macht und Erotik. Auf den Fotoarbeiten erscheinen sie als geheimnisvolle Objekte, die Sassen mit durchscheinenden Farbfeldern noch weiter verfremdet hat. "Ich versuche immer, zu viel Kontext zu vermeiden“, erkl�rt die Fotografin. „Ich isoliere diese Motive, um sie abstrakter zu machen. Meine Bilder sind wie ein Spiegelsaal. Sie reflektieren das, was du bereits im Inneren hast, auf dich zur�ck."

Neben Sassen sind noch weitere K�nstler aus der Sammlung Deutsche Bank mit Einzelpr�sentationen auf den beiden Frieze Messen vertreten. Von Rachel Whiteread sind fr�he Skulpturen und Zeichnungen zu sehen und von Michael Craig-Martin zwischen 1967 und 2000 entstandene Papierarbeiten, die alle aus dem Privatarchiv des britischen Pop-K�nstlers stammen. KP Brehmer, der f�r eine spezifisch deutsche, politisch engagierte Pop Art steht, ist mit Collagen und Siebdrucke vertreten. Kara Walker, der in den Frankfurter Deutsche Bank-T�rmen eine ganze Etage gewidmet ist, ist nicht nur auf der Frieze pr�sent. Sie bespielt ab dem 2. Oktober auch die Turbinenhalle der Tate Modern, wo bereits ortsspezifische Arbeiten von K�nstlern wie Olafur Eliasson, Tacita Dean oder Philippe Parreno f�r Furore gesorgt haben. Walker bewies schon 2014, dass sie auch mit ortsspezifischen Gro�projekten �berzeugen kann. Mit ihrer Installation A Subtlety, or the Marvelous Sugar Baby, eine gigantische sphinxartige Skulptur in einer ehemaligen Zuckerfabrik in Brooklyn, die wie ihre Scherenschnitte um die Themen Weiblichkeit, Macht und Geschichte kreiste, begeisterte sie Kritik und Publikum.

In London ist es mittlerweile Tradition, dass die Institutionen parallel zu den Frieze Messen ein besonders starkes Ausstellungsprogramm zeigen. Dazu z�hlt auch die erste gro�e Danh Vō-Schau in der britischen Hauptstadt. In der South London Gallery kombiniert er eigene Installationen und Skulpturen mit Kalligrafien seines Vaters, abstrakten Gem�lden seines ehemaligen Hochschulprofessors Peter Bonde oder auch Gemeinschaftsarbeiten mit Kindern aus einer benachbarten Wohnsiedlung, die ihn in seinem Berliner Atelier besucht hatten. Elizabeth Peyton verabschiedet sich bei ihrem Projekt Aire and Angels, das ab dem 2. Oktober in der National Portrait Gallery zu sehen ist, von dem Konzept der konventionellen Einzelausstellung. Die amerikanische K�nstlerin, die neben Ai Weiwei und Edmund de Waal auch einen der diesj�hrigen Frieze Talks bestreitet, zeigt ihre Portraits von so unterschiedlichen Ber�hmtheiten wie Kurt Cobain, Frida Kahlo, Elizabeth II. oder David Hockney in dem Raum f�r Sonderausstellungen und der st�ndigen Ausstellung, was zu einigen sehr ungew�hnlichen Begegnungen f�hrt – �ber die Jahrhunderte hinweg. Auch das Bauhaus wird anl�sslich seines 100sten Geburtstags einen Themenschwerpunkt der Frieze Talks bilden. Passend dazu zeigt die Londoner Niederlassung der Galerie Thaddaeus Ropac die Ausstellung Oskar Schlemmer – Kunstfigur. Die Schau konzentriert sich auf Schlemmers bahnbrechende Experimente in den Bereichen Tanz und Theater – mit dabei sind auch Leihgaben aus der Sammlung Deutsche Bank.  
A.D.

Frieze London/Frieze Masters
Regent’s Park, London
03. – 06.10.2019